Drei Mal in sieben Jahren hat der Arbeitgeber der Entwickler im dänischen Aalborg gewechselt. Selbst in der schnelllebigen Mobilfunkbranche ist das rekordverdächtig. Die etwa 280 Mitarbeiter, die seit Mai 2000 für Siemens mobile Phones A/S arbeiten, kann so schnell aber nichts umhauen - nicht einmal die steife Brise der Nordsee, die ständig über den Norden Jütlands fegt.
Dancall 7000 tragbares NMT450 von 1983
Dancall 9000 tragbares NMT900 von 1987
Dancall Logic tragbares NMT900 von 1991
Dancall Logic zweite tragbare GSM900-Telefon von 1993
Dancall/Bosch Dualband Erstes GSM900/1900-Telefon der Welt von 1998
Bosch 810/Siemens S40 Triband-Handy von 2000
Im November 2001 zogen die Handy-Entwickler vom 25 Kilometer entfernten Pandrup an den Limfjord. Aalborg - in Sichtweite - ist die viertgrößte Stadt Dänemarks (160.000 Einwohner) und "neben der Hauptstadt Kopenhagen die unternehmungslustigste", heißt es in einem Reiseführer. Das liegt vor allem an der auffallend hohen Kneipendichte. Im Zentrum reiht sich Lokal an Lokal zur längsten Theke des Landes. Was der Urlauber nicht erfährt, ist, dass sich um die Universität Aalborg eine Schar von Elektro- und Telekom-Firmen angesiedelt hat. In Jütland spricht man inzwischen von Telecom Valley. Ursprung fast all dieser Firmen war SP Radio, ein Radio- und Fernseh-Hersteller, 1948 gegründet. Daraus entstanden neue Unternehmen, die aufgekauft wurden, die sich auflösten, die neue Unternehmen hervorbrachten.
Würde man alle Verästelungen aufzeichnen, ergäbe sich ein Stammbaum. Irgendwo in diesem Geflecht stünde der Name Dancall - eine der ersten Firmen, die ab 1980 Mobiltelefone entwickelte und produzierte, erst für den pan-skandinavischen Standard NMT (Nordic Mobile Telefon), später für GSM. Das erste tragbare GSM-Telefon war "Made in Jütland". Dancall hätte das Zeug gehabt, ein Großer in der Mobilfunkbranche zu werden. Dass es dazu nicht reichte, lag weniger an der Technik, als vielmehr am Vertrieb. Bosch erkannte das, kam, kaufte und baute den Standort aus. Das war im April 1997. Boschs Ausflug in den Mobilfunk dauerte drei Jahre. Dann klopfte Siemens an, auf der Suche nach Verstärkung für Forschung- und Entwicklung. Man wurde sich handelseinig: Siemens Mobile Phones übernahm die GSM-Tüftler und der Fremdfertiger Flextronics die Produktion.
Hier eine Darstellung der zeitlichen Firmenentwicklung:
Zum 01.10.2005 hat Siemens die Handysparte (ex-Com MD; Mobile Devices) an BenQ (Taiwan) verkauft, oder besser gesagt "verschenkt mit einer milliardenschweren Zugabe".
Die neue Firma hieß "BenQ Mobile GmbH & Co. OHG".
Am 10.10.2006 kam dann die Presseinfo, dass die Betreiber des Joint-Ventures "BenQ.Siemens" den Stecker gezogen haben: Insolvenzantrag wurde gestellt und der Betrieb quasi eingestellt. Einige Aktivitäten wurden noch weiterbetrieben, aber speziell am Heidenauplatz in München standen schnell die Container mit dem Firmeninventar auf der Straße. Sehr traurig und ein viel zu schneller Abgang des Unternehmens.
Hier zeigte sich eklatant, wie sich häufige Fluktuation eines rückblickend betrachteten "überforderten" Managements auswirken. Nach dem SL45 im Jahr 2000 kamen keine Innovationen mehr - der Slogan "Be inspired" hat sich sehr schnell auch intern abgenutzt. Die alte 35'er-Plattform wurde mit kleinen Updates je folgender Generation irgendwie am Laufen gehalten, aber das 2007 erschienene iPhone zeigte dann auch, dass Siemens mit den alten "Bricks" auch nicht mehr am Puls der Zeit war. Aus meiner Sicht wäre spätestens bei Erscheinen des iPhones der Ofen aus gewesen, denn dieser Sprung wäre mittelfristig nicht zu bewerkstelligen gewesen.
Im weitesten Sinne geht es aber doch noch weiter:
Am 01.09.2015 stellte Gigaset die ersten drei Handy-Modelle vor. Der Standort Deutschland ist zurück. Vielleicht schafft es der Hersteller seine Niesche zu besetzen und wirtschaftlich erfolgreich gegen Apple, Samsung und dem Aufsteiger Xiaomi bestehen zu können.